Monatsarchiv: November 2016

Weltrettungsfantasien

Spoiler-Hinweis: Der folgende Text enthält u.a. Aussagen zur Handlung des Films Arrival, die die Spannung beim erstmaligen Betrachten beeinträchtigen können.

In der kritischen Beurteilung von Filmen (sowohl bei der professionellen Filmkritik, wie im privaten Gespräch) gibt es oft extreme Unterschiede. Was dem einen großartig erscheint, findet der andere fürchterlich. Eine (es gibt noch andere) Ursache für diese Unstimmigkeiten ist in den unterschiedlichen Wirkungsebenen des Kinos zu suchen.
Das Betrachten eines Films wirkt eben nicht nur auf einer Ebene (auch wenn wir das manchmal so empfinden), sondern auf vielen verschiedenen, etwa ästhetisch (tolle Bilder, Musik und Töne), narrativ (spannende, geistreiche Geschichte), spektakulär (bombastische Action), künstlerisch (abstrakte Darstellung) oder emotionell (traurig, lustig, angsteinflößend). Unterschiedliche Filme betonen diese Eben unterschiedlich, unterschiedliche Zuschauer reagieren unterschiedlich auf die jeweiligen Ebenen, da ist es nur wahrscheinlich, dass man zu unterschiedlichen Urteilen über einen Film gelangt. Eine ganz wichtige und sehr erstaunliche Ebene des Kinos ist die Fantasieerfüllung.

Wir alle träumen von bestimmten Situationen. Manche dieser Träume sind erfüllbar, etwa der Traumurlaub, den man sich mühselig erspart oder die sexuelle Fantasie, die man endlich auslebt. Manche dieser Träume sind dagegen praktisch oder theoretisch kaum oder nicht erfüllbar, hier hilft das Kino aus.
Wer hat nicht manchmal Rachefantasien gegenüber den Bösen und Ungerechten? Wer träumt nicht davon, von einer äußerst attraktiven und sympathischen Person begehrt und umworben zu werden? Wer möchte nicht seine ablehnende Umwelt durch die eigene Leistung überwältigen (siehe etwa den berühmten Paul Potts-Moment)? Wer möchte nicht die Schwachen beschützen? Wir möchten all das aus einem ziemlich egoistischen Grund, weil wir eine Ahnung bzw. Vision von der unglaublichen emotionellen Befriedigung, die diesen Situationen innewohnt, haben. Allein die Vorstellung davon, wie es sein würde, bereitet uns ein wohliges Gefühl. Dummerweise treten solche Fantasien in der Realität so gut wie nie ein. Glücklicherweise gibt es das Kino, das uns zumindest eine gut spürbare Simulation dieser Fantasien bereiten kann.

Wenn der coole Actionstar nach endloser Demütigung seinen Gegnern mit lässigen Sprüchen die gerechte Strafe zukommen lässt, dann spüren wir die Genugtuung, die uns der Alltag verwehrt. Wenn das Schicksal auf der Leinwand attraktive Menschen in pikante Situationen zwingt (Prototyp: „Sie müssen so tun, als ob Sie meine Frau / mein Mann wären“), dann spüren wir das Kribbeln. Als Erklärung hierfür wird gerne der Begriff der Empathie bemüht, dieses Nachfühlen von fremden Emotionen mag sicher etwas damit zu tun haben, als alleinige Erklärung reicht es aber nicht. Das Phänomen der ausgelagerten Fantasieerfüllung ist um einiges komplexer, wie aktuell etwa am Beispiel des Films Arrival zu sehen ist.

Arrival ist ein sehenswerter SiFi-Film, Denis Villeneuve beweist einmal mehr, dass er atmosphärisch extrem dichte Filme (1. Ebene) machen kann, störende Untertöne (2. Ebene) wie bei seinem Sicario finde ich hier nicht, im Umgang mit (echten wie behaupteten) wissenschaftlichen Thesen (3. Ebene) macht er es in jeder Hinsicht besser als der thematisch ähnliche Interstellar, einzig das Ende des Films ist mir ein wenig zu schmalzig (4. Ebene). Neben diesen Ebenen bedient Arrival besonders markant auch die Fantasieerfüllung, hier in zwei besonders beliebten Formen, dem Spezialauftrag und dem Heldentum.

Amy Adams spielt in Arrival die unauffällige Sprachforscherin Louise Banks, die ihr unspektakuläres Fach an der Uni unterrichtet. Als Außerirdische auf der Erde landen, wird die US-Regierung mit dem notwendigen Bombast bei ihr vorstellig, um sie darum zu bitten, ihre Fähigkeiten bei der (bisher erfolglosen) Kommunikation mit den Aliens einzusetzen. Erst wird man sich nicht einig, schließlich gibt die Regierung nach, da es keine andere Alternative zu Banks gibt.
Schön erkennt man an diesem Beispiel, dass solche Fantasien zwar auf ein spezifisches Gefühl hinauslaufen, der Weg dorthin aber einer durchaus komplexen und festen Dramaturgie folgt, wobei der Weg bereits ein wichtiger Teil des Ziels ist (bei sexuellen Fantasien ist es genauso). Es reicht eben nicht, dass irgendjemand kommt und sagt „Ach kommen Sie doch mal mit und schauen Sie, was Sie da machen können.“ Nein, es muss eine Autorität sein, die mit einem Problem nicht fertig wird und darum braucht man genau diese eine Person, weil es keinen anderen bzw. keinen besseren gibt. Und darum hat diese Person auch eine gewisse Macht gegenüber der Autorität, kann sich zieren, kann Bedingungen stellen, kann sich Freiheiten herausnehmen. Und weil die Situation so dramatisch und alternativlos ist, gibt es keine Erfolgserwartung, sondern eine Erfolgshoffnung nach dem Motto „Wir wissen nicht weiter, wenn Sie helfen können, ist es super, wenn Sie scheitern, macht Ihnen keiner Vorwürfe (selbst wenn dieses Scheitern eine Katastrophe bedeutet).“ Wichtig ist auch, dass die Person und ihre spezielle, einzigartige Qualifikation, die jetzt plötzlich von fundamentaler Bedeutung ist, lange Zeit ignoriert, abgetan oder abgelehnt wurde.

In der Realität erfüllt sich diese Fantasie in dieser Form so gut wie nie, da ist man einer von vielen, die was können, deshalb kann man auch kaum Bedingungen stellen („Wenn Sie nicht wollen, suchen wir jemand anderes!“), man kann sich keine Freiheiten leisten, der Erfolgsdruck ist massiv und WEHE es klappt nicht („Ich dachte, Sie kennen sich mit so was aus?!“). Also ab ins Kino und sich wenigstens dort wohlig in dieser perfekt ablaufenden Fantasie suhlen.

Die zweite Fantasie in Arrival ist mit der ersten eng verbunden, denn der Auftrag, zu dem Banks so dringend geholt wird, ist ein dramatischer, schließlich geht es um die Zukunft der Erde. Banks ist erfolgreich, rettet (mehr oder weniger alleine) unsere Welt (wenn ich es recht verstanden habe, eine zweite obendrein) und ist somit ein klassischer Held.
Wenige Fantasien sind in unserer Kultur so verankert wie der Wunsch ein Held zu sein. Ob Odysseus, edler Ritter, James Bond oder Superman, der Traum davon, andere (wenn nicht sogar alle) zu schützen oder zu retten, ist seit Jahrhunderten eine mächtige Fantasie, die sich in der Realität ganz selten erfüllt und deshalb umso stärker in der Kunst ausgelebt wird. Inwiefern religiöse Motive vom „Weltenretter“ damit zu tun haben, müssen Theologen und Kulturwissenschaftler klären.
Die Zunft der Psychologen darf mir erklären, woher dieser unglaubliche Drang zum künstlichen (zum echten fehlt in der Regel der Mut) Heldentum kommt. Was ist die Grundlage für diese manische Sehnsucht nach grenzenloser Bewunderung und Dankbarkeit? Warum ist dieses Heldentum nur dann wirklich befriedigend, wenn es mit Dramatik verbunden ist (10.000 Menschen durch die Erfindung eines neuen Medikaments zu retten empfinden wir nicht halb so „geil“ wie einen Menschen aus einem brennenden Haus zu holen)? Und welche Faktoren sorgen dafür, dass sich bei einer Person bestimmte Fantasien in bestimmter Weise ausbilden? Nicht alle träumen davon ein Held zu sein oder eine wichtige Aufgabe übertragen zu bekommen. Wem diese Fantasien fehlen, der wird einen Film wie Arrival anders wahrnehmen als der, der seine geheimen Wünsche darin gespiegelt sieht.
Wen wundert es da, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Meinungen zu denselben Filmen haben?


Judgement Election Day

votememe

Meine Vorhersage vom 4.8.16 im Blog-Eintrag Ausgleichende Genugtuungsrache ist eingetreten, trotz zahlreicher weiterer Verfehlungen kam Donald „The Don“ Trump nie an den Punkt, dass er als Konsequenz seiner Handlungen den Kampf um die Präsidentschaft beenden hätte müssen (was sehr vielen Menschen sehr viel Genugtuung bereitet hätte). So tritt er also morgen bei der Wahl an, ob er dort (wie von vielen erhofft) ordentlich abgewatscht wird, ist durchaus fraglich, selbst wenn es so sein sollte, werden immer noch Millionen für ihn gestimmt haben.

Seit Monaten spekulieren alle möglichen Medien darüber, wie Trump so weit kommen konnte und vor allem was die Menschen bewegt, die ihn unterstützen und die ihn nun wählen werden. Zwei stark diskutierte Theorien sind zum einen die Unbeliebtheit von Hillary Clinton (die manchen die noch schlimmere Alternative scheint) und zum anderen der explizite Wunsch nach einem Nicht-Politiker, einem der sich bewusst außerhalb des „Politzirkus“ und dessen Tricks und Lügen stellt und für eine (wenn auch kontroverse) schonungslose Ehrlichkeit steht.

Einen Tag vor dem großen Finale will nun auch ich einen Blick in die Köpfe der Trump-Wähler wagen und vermute als eine große Motivation, den Inhalt des oben abgebildeten Internet-Memes.
Über Protestwähler und ihre Motivationslage hört man eigentlich viel zu wenig (wobei ich vermute, dass sich verschiedene Wissenschaftler und Politiker sehr eingehend mit diesem Phänomen beschäftigen). Einer Partei / Regierung bei der Wahl einen „Denkzettel“ zu verpassen, ist grundsätzlich ein verständliches Vorgehen, so funktioniert Demokratie (indem man die, die es nicht gut machen, abwählt). Problematisch wird es, wenn der gewählte Denkzettel eigentlich eine Briefbombe ist, es also nicht um politischen Wandel, sondern um politisches Chaos geht. Dass manche Wähler verbittert sind, ist bis zu einem gewissen Grad verständlich. Dass man als Konsequenz daraus jemanden wählt, der absehbar die Sache nicht besser sondern viel schlechter machen wird, lässt sich nur mit dem oben stehenden Motto (das seinen Ursprung im moralisch überplakativen Batman-Film The Dark Knight hat) erklären.
Dahinter steckt derselbe destruktive Geist, der die Trolle in unserem realen wie virtuellen Leben antreibt, dass die 20. Staffel von South Park gerade die Themen Trolling und Trump-Mania in den Mittelpunkt stellt und ineinander verwebt, spricht einmal mehr für die Großartigkeit dieser Serie.

Batman und The Dark Knight weist auch auf meine zweite Erklärung für den erstaunlichen Erfolg Trumps hin. Das Zitat vom „Some men…“ bezieht sich auf die sinn- und ziellose Boshaftigkeit von Batmans Gegner dem Joker. Die aufdringliche Botschaft des Films (die 1 zu 1 auf den Kampf Amerikas gegen die durchgeknallt,  „pur“ boshaften Terroristen und Verbrecher umgelegt werden kann / soll) ist die, dass gegen solche abgründigen Bösen nur ein abgründiger Guter Erfolg haben kann. Der ambivalente bzw. „böse“ Gute ist in letzter Zeit ein sehr beliebtes Motiv der amerikanischen Kultur, egal ob in überzogenen Comic-Verfilmungen wie Suicide Squad oder in realistischen Dramen wie Sicario. In einer Welt von durchgeknallten Diktatoren (z.B. Kim Jong-un) und durchgeknallten Terroristen scheint vielen der Badman Donald Trump offensichtlich als der geeignetste Kämpfer für das Gute.

Man kann es auch mit einem Zitat des US-Präsidenten F.D. Roosevelt (das erstaunlicherweise noch kein Internet-Meme ist) sagen. Als Roosevelt von einem Mitarbeiter kritisch darauf hingewiesen wurde, dass der von den USA unterstützte Präsident / Diktator Nicaraguas Anastasio Somoza ein „bastard“ sei, antwortete Roosevelt (angeblich)Yes, but he’s our bastard.“ (Nachtrag vom 25.5.18: Wie so oft bei bekannten Zitaten, gibt es auch hier verschiedene Ursprungstheorien, vgl. hierzu diesen Blog-Eintrag. Gerade lese ich, dass der ehemalige US-Außenminister Cordell Hull in den 1950er Jahren den Satz im Hinblick auf den brutalen Diktator der Dominikanischen Republik Rafael Trujillo geprägt haben soll, wobei Hull anstatt „bastard“ das noch kernigere „son of a bitch“ verwendete.)
Nach dieser Doktrin funktioniert Politik leider sehr oft (nicht nur in den USA), vorzugsweise in der Außenpolitik (Despoten, die einem anderswo Probleme vom Hals halten), in Amerika scheinen nun auch innenpolitisch viele Gefallen an dieser Idee zu finden.

Nun, da der Wahlkampf vorbei ist und ich keinen mehr auf schlechte Ideen bringen kann, darf ich abschließend noch erwähnen, dass mich der Wahlkampf Trumps und seine mögliche Präsidentschaft regelmäßig an Stephen Kings Buch Dead Zone (bzw. dessen Verfilmung von David Cronenberg) denken ließ.

Mein Musiktipp für den Fall, dass das nur scheinbar Unvorstellbare tatsächlich eintritt: The Honey Drippers mit Impeach The President. Anhören lohnt sich auch wenn es doch nicht so schlimm kommt, der Song ist super-funky und wurde unzählige Male gesampelt.


Macht vor der Kamera

Ich habe mir auf arte den Dokumentarfilm Weiner über den kontroversen und skandalgebeutelten amerikanischen Politiker Anthony Weiner angeschaut, war ganz ordentlich gemacht, einen langweiligen, uninteressanten Film hätte man aus der Geschichte kaum machen können.
Am Ende des Films wird Weiner von den Regisseuren gefragt, warum er sich auf diesen Film eingelassen hat, seine Antwort ist (wie so viele seiner Antworten) ziemlich schwammig, seine echte Motivation bleibt unerkennbar und lässt Raum für Spekulationen. Es sind dieselben Spekulationen, die man auch bei anderen Dokumentarfilmen, die Politikern und Geschäftsleuten gefährlich nahe kommen, anstellen kann. Etwa bei den Pennebaker/Hegedus-Produktionen Hier Strauß (über FJS), The War Room (über den Wahlkampf von Bill Clinton) oder Startup.com (über die Gründer eines Startups, das zusammen mit der Internetblase platzte). Das deutsche Pendant zu Startup.com ist Weltmarktführer von Klaus Stern, der mit Henners Traum und Versicherungsvertreter auch noch andere (zeitweilig) Erfolgreiche dokumentiert hat. Dauerhaft erfolgreich ist der Hedgefonds-Manager Paul Todor Jones, dem 1987 die Fernsehdoku Trader über die Schulter blickte (findet man mit etwas Suchen im Internet). Den Mächtigen aus der Politik widmet sich mit Vorliebe Errol Morris, etwa Robert McNamara in The Fog of War oder Donald Rumsfeld in The Unknown Known. Weniger weltgeschichtlich bedeutungsschwer, aber ähnlich bezeichnend geht es in Andreas Dresens Herr Wichmann von der CDU zu.
Bei jedem dieser Filme kann man sich fragen, was die Protagonisten bewegt hat, die Dokumentarfilmer so nahe an sich heran zu lassen, so viel von sich privat und geschäftlich Preis zu geben, sich so weit entlarven zu lassen, ein solches Risiko einzugehen? Ein Risiko ist es tatsächlich, denn während Künstler, (linke) Aktivisten, schräge Vögel und Promis bei Teilnahme an einer Doku über sie selbst mit Wohlwollen, Zustimmung, Huldigung und Verklärung rechnen können und selbst weniger schmeichelhafte Enthüllungen nicht wirklich weh tun, weil es den eigenen Charakter „schillernder“, „menschlicher“ macht und / oder (in jedem Fall zuträgliche) Aufmerksamkeit erzeugt (vgl. z.B. The Big Eden), ist die Erwartungshaltung bei Politikern und Managern (wie den oben genannten) eine genau gegenteilige.
Das Misstrauen und die Ablehnung gegen die meisten Politiker und Manager (und ihre Arbeit) sind tief in der Bevölkerung verankert, entsprechend ausgeprägt ist der Wunsch, sie scheitern zu sehen, ihre Lügen und Tricks gezeigt zu bekommen, ihnen die Maske des Erfolgreichen, Mächtigen, Souveränen herunterzureißen. Selbst wenn sich ein Dokumentarfilmer jeder Wertung und künstlicher Stimmungsmache (a la Michael Moore) enthält (wie es praktisch alle oben genannten Beispiele machen), wird das Publikum die Aufmerksamkeit vor allem auf die negativen Seiten einer portraitierten Person richten. Vor dem Hintergrund stellt sich massiv die Frage, warum man sich als (umstrittener) Politiker oder Manager ohne Not einer solchen Situation aussetzt? Ich sehe hier verschiedene Möglichkeiten (Überschneidungen sind möglich und wahrscheinlich):

– Die wahre Geschichte. Manche haben den Eindruck, dass ihre Person, ihre Arbeit und bestimmte Ereignisse aus ihrer / der Geschichte falsch gesehen werden. Also wollen sie das Instrument des seriösen, gut beleumundeten Dokumentarfilms nutzen, um diese falschen Bilder zu korrigieren, ihr wahres Gesicht zu zeigen, die wahre Geschichte zu erzählen. Diese Motivation ist grundsätzlich verständlich, das ganze kann aber auch sehr leicht nach hinten losgehen.

– Instrumentalisierung. Manche sind sich bewusst, dass der negative Eindruck, der auf ihnen lastet, zutreffend ist. Sie wollen dasselbe wie unter 1., nur eben nicht im guten Glauben der Wahrheit zu dienen, sondern im nicht besonders edlen Bemühen, die Geschichte ein wenig umzuschreiben und sich selbst in einem besseren Licht dastehen zu lassen, als sie verdient haben. Auch das ist verständlich, kann aber noch schlimmer nach hinten losgehen als 1.

– Selbstüberschätzung und Naivität. Die dargestellten Personen sind ja (mehr oder minder) getrieben, exaltiert, erfolgsverwöhnt. Da kann man schon mal die Bodenhaftung verlieren und glauben, dass die Mitarbeit an einer Doku eine tolle Gelegenheit ist, der Welt zu zeigen, wie großartig man ist und was man alles leistet. Teil dieser Fehleinschätzung ist die naive Vorstellung, dass man entweder keine schlechten Seiten hat, die der Film aufdecken könnte oder dass man sich und die Situation derart unter Kontrolle hat, dass man dem Filmmacher nur das liefert, was einem selbst ins Konzept passt.

– Geltungssucht. Wie gesagt sind diese Persönlichkeiten eher exaltierte Macher, die gerne Aufmerksamkeit erlangen. Die einen fühlen sich vielleicht geschmeichelt, wenn man ausgerechnet über sie eine Doku machen will, anderen ist jede Gelegenheit recht, sich in der Öffentlichkeit wichtig zu machen, gemeinsam ist ihnen, dass sie darüber die Gefahren dieses Unterfangens übersehen bzw. ignorieren.

Jeder dieser Gründe ist für sich schon verlockend, besonders reizvoll wird es aber, wenn zusätzlich noch mit einer Portion Sympathie und Wohlwollen zu rechnen ist. Weder Joschka Fischer in Pepe Danquarts Joschka und Herr Fischer noch der Ex-Investmentbanker in Marc Bauders Master of the Universe mussten damit rechnen, dass sie im jeweiligen Film schlecht wegkommen, eher im Gegenteil.

In mancherlei Hinsicht bezeichnend ist, dass ich trotz intensivem Nachdenken und Recherche im Internet keine Doku finde, in der eine Politikerin bzw. Managerin derart tiefe Blicke in ihr Leben zulässt.